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Lernen Fehlanzeige: Wie Boeing sich um Kopf und Kragen kommuniziert

346. So lautet die Zahl der Todesopfer der beiden tragischen Flugzeugunglücke mit der Boeing 737 MAX 8, die uns jüngst erschüttert haben. Nichts ist mehr übrig von der vollmundigen Ankündigung der neuesten Generation des früher so zuverlässigen Maschinentyps: „Dieser Jet wird das Gesicht des Markts für Schmalrumpfflugzeuge verändern!“ Leider ist das nun anders wahr geworden als gedacht.

Nach dem Flugzeug-GAU die Kommunikationskatastrophe

Grund genug, in der Krisen-PR Transparenz zu beweisen und auf Kooperation zu setzen, sollte man meinen. Was aber tut der Boeing-Chef Dennis Muilenburg? Er behauptet, sein Unternehmen hätte nichts damit zu tun, man habe volles Vertrauen in die Sicherheit. Willfährig zur Seite springen ihm die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA, die inzwischen zurückgerudert ist, und in völlig unverständlicher Weise auch der Koordinator für Luft- und Raumfahrt der Bundesregierung, Thomas Jarzombek (CDU), der von Schnellschüssen in Form von Flugverboten abriet.

Was bitte geht diesen Herren durch den Kopf, wenn es um Menschenleben geht? Und was ist wirklich zu tun, wenn ein Flugzeug abstürzt, eine Schummel-Software entdeckt wird, ein Atomkraftwerk havariert oder Ihr eigenes Unternehmen Mist gebaut hat? Verneinungs-Taktik wie Muilenburg? Nassforsch wie VW-CEO Müller in den USA, der ein ethisches Problem auf die Technik schiebt? Oder sich erstmal krankschreiben lassen wie TEPCO-Chef Masataka Shimizu nach dem Fukushima-Desaster?

Empathisch und verantwortungsbewusst

Nichts zugeben, bevor es bewiesen ist, ohne eindeutig zu lügen, damit die Unwahrheit nicht zum Bumerang wird, ist definitiv keine Lösung – das haben unterschiedlichste Krisensituationen mittlerweile mannigfach gezeigt. Stattdessen kommt es auf einen Mix aus Empathie und Verantwortungsbewusstsein an, wenn man seine Glaubwürdigkeit erhalten oder zurückerobern will:

  • Empathie ausstrahlen statt abweisender Nüchternheit: Die Feststellung, dass das Flugzeug sicher ist und es rein an der Unfähigkeit der Piloten liegt, hat genau eine Wirkung: Boeing wäscht sich demonstrativ die Hände in Unschuld. Selbst wenn es so sein sollte, woran Zweifel offenbar berechtigt sind, fehlt hier jegliche Empathie für die Situation und die Opfer. Die Folge: Wut wird geschürt und richtet sich mehr und mehr gegen das Unternehmen.
  • Auf den Prozess setzen statt auf unbelegte Vermutungen: Wenn mit Fakten weder die eine noch die andere Seite klar gestützt werden kann, gibt es nur einen Weg: auf eine penible und unabhängige Untersuchung setzen, die Fakten zutage fördert. Der „Es-liegt-nicht-an-uns-Schuss“ geht als reine Behauptung nach hinten los. Kein aufgeklärter Nachrichtenempfänger fällt heute noch auf derart durchsichtige Manöver herein.
  • Verantwortung übernehmen statt Schuld zuweisen: Dafür bräuchte es Fähigkeiten, die in der Wirtschaft weitgehend abhandengekommen zu sein scheinen: Mut, Haltung und Rückgrat. Sich hinzustellen und sich zur eigenen Verantwortung zu bekennen, wie auch immer die im Detail genau aussieht, hätte Respekt verdient. Sofortige Schuldzuweisungen an andere zeugen von nichts anderem als von Angst und Kleingeistigkeit.

Am Ende verzeiht der Markt nicht

Es gab in jüngerer Zeit genügend Wirtschaftskatastrophen, aus denen Boeing hätte lernen können. Stattdessen klammert sich die Chefetage an eine völlig überkommene Erfolgsrhetorik, die nur den Schluss zulässt, dass Lernen nicht erwünscht ist. Aktuell sind zwar die Auftragsbücher der gesamten Flugzeugindustrie so übervoll, dass man nicht schnell substituiert werden kann. Trotzdem ist sonnenklar, dass der Boeing-Way kein Zukunftsmodell ist. Denn eines ist sicher: der unerbittliche Markt wird es richten wird, wenn auch erst auf lange Sicht.