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Narzissmus: Wie weit dürfen Manager gehen?
Ausgelöst von der Beobachtung hochrangiger Manager, die ihre Verantwortungsbereiche durch ihr persönliches Verhalten massiv destabilisieren, stelle ich mir seit geraumer Zeit die Frage: Wie weit darf ein Manager in seinem Fordern und Antreiben gehen? Wieviel an grenzwertigem Alphatier-Verhalten ist aus unternehmerischer Sicht noch tolerabel?
Dabei ist klar, dass es nur mit Kuschelkurs in exponierten Führungspositionen nicht geht. Mitarbeiter und Kunden mögen Eloquenz und Charisma, ein gesundes Maß an Selbstdarstellung, klare Ansagen, Risikobereitschaft, Unterhaltungswert – und lassen sich davon mitziehen. Darüber hinaus zeigen Untersuchungen der Universität Erlangen, dass die Bereitschaft von Unternehmen zur Investition in disruptive Technologien mit dem Impetus der eigenen Großartigkeit in der Chefetage zunimmt. Das ist günstig für die Unternehmensentwicklung.
Angst ist ein schlechter Ratgeber
Kritisch wird es dann, wenn narzisstische Verhaltensmuster überhandnehmen. Darunter fallen beispielsweise eine hohe Volatilität der eigenen Haltung („Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“), polarisierendes Schwarz-Weiß-Denken (es gibt die „Guten“ und die „Bösen“ unter den eigenen Mitarbeitern), unterdrückende Dominanz, mangelnde Empathie, fehlende Kritikfähigkeit, sich mit „Jasagern“ umgeben und andere mehr.
Unternehmensbereiche, die dauerhaft diesem „Feuer“ ausgesetzt sind, fallen in ihrer Produktivität deutlich ab. Der Schuss geht nach hinten los, wenn statt gesunder Selbstüberzeugung ein repressiver Umgang an der Tagesordnung ist. Die Symptome reichen von Demotivation über Verantwortungsabgabe und Dienst nach Vorschrift bis hin zu einer unerträglich schlechten und zynischen Stimmung. Das typische Verhalten der Menschen in der Umgebung narzisstischer Manager ist Wegsehen und Aushalten, meist erst nach längerer Leidenszeit und nur vereinzelt Hinsehen und Flüchten.
Offensichtlich regiert die Angst, und zwar auch bei denjenigen, die die Autorität hätten, eine Änderung herbeizuführen: vor der Konfrontation mit besagten Managern, vor Kompetenzverlust für den Fall, dass man sich trennt. Angst ist jedoch ein denkbar schlechter Ratgeber, denn sie zementiert die unerträglichen Zustände. Zudem haben sich die Ängste in keinem der Fälle, die ich kenne, als begründet erwiesen, jedoch haben sie in allen Fällen zu unangebracht langem Zögern geführt.
Handeln statt Hoffen
Hoffen Sie nicht auf eine Änderung, sondern schreiten Sie zur Tat. Ist die Situation so weit fortgeschritten, wie oben dargestellt, gibt es nur noch eine Lösung: einen harten Schnitt und danach einen Neuanfang, um zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen und zu alter Performance zurückzukehren. Das Aufatmen einzelner Menschen und ganzer Unternehmensbereiche können Sie dann richtiggehend hören – so wie jüngst im globalen Politikbetrieb nach der Amtsübergabe der US-Präsidentschaft von Donald Trump an Joe Biden.
Ich möchte Ihnen Mut machen, Ihrer Intuition und Ihren Werten zu folgen. Erkennen Sie, wenn ein Zuviel an narzisstischen Verhaltensweisen unternehmerisch kontraproduktiv ist, und handeln Sie. Dafür spricht auch, dass einer Metastudie der University of Illinois zufolge weder der ganz nette noch der ganz narzisstische Manager seinen Job gut macht, sondern derjenige, der von beidem etwas hat. Der ideale Manager ist also gemäßigt und angenehm narzisstisch.