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Sind Gewohnheiten veränderbar?

Neues Jahr, neues Glück

Das neue Jahr hat begonnen, die zum Jahreswechsel gefassten Vorsätze sind noch präsent. Viele drehen sich um Gewohnheiten: mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport machen, sich besser organisieren, etc. Gemäß einschlägiger Statistik werden weniger als 5% der ernsthaften Vorsätze tatsächlich umgesetzt. Die große Mehrheit fällt alten Gewohnheiten zum Opfer, Jahr für Jahr. Man könnte meinen, Gewohnheiten seien nicht veränderbar – oder doch?

Ein Beispiel. Einer meiner Freunde ist etwas kleiner als ich und wiegt das gut Anderthalbfache von mir. Beim Autofahren muss er also viel Bauch zwischen Sitz und Lenkrad unterbringen. Spannender Weise will er seit Jahren, nein, inzwischen seit Jahrzehnten, abnehmen. Er weiß ganz genau, was er dafür tun oder lassen müsste, ist geradezu ein wandelndes Lexikon für Abnehm-Tipps. Doch seine Gewohnheiten sind stärker als jeder Versuch, die Pfunde purzeln zu lassen: zum Frühstück ordentlich reinhauen, ein kräftiges Mittagessen, zwischendurch etwas Süßes, Abendessen mit Bier und nahezu keine Bewegung – dieses Verhalten ist über viele Jahre hinweg antrainiert.

Nützliche und behindernde Gewohnheiten

Auch in Unternehmen sind Gewohnheiten eingeübt. Letztens erzählte ein Unternehmer, was man bei ihm tun muss, um als neuer Mitarbeiter erfolgreich zu sein und Anerkennung zu finden: Seinen Job machen, sich ins Team einordnen, dort mit anpacken, wo Not am Mann ist, nicht zu kritisch sein und alles hinterfragen, schon gar nicht in den ersten Monaten. Man sei eben eine eingeschworene Gemeinschaft mit klaren Prinzipien. Da heißt es, sich erst mal einzufügen. Sie ahnen es bereits: so ist es, wenn das Gewohnte Vorrang vor Neuem hat.

Gewohnheiten machen uns einerseits stark und erfolgreich. Was wäre der Marathonläufer ohne seine regelmäßigen Trainings und das mentale wie körperliche Zurückgreifen auf diese Gewohnheiten im Wettbewerb? Wo wäre der Buchautor ohne seine Schreibzeiten, wo wären Entwicklungsprojekte ohne wie selbstverständlich durchgeführte Reviews?

Doch Gewohnheiten machen uns auch starr und unbeweglich. Dann nämlich, wenn sie uns mehr schaden als nutzen. Denn nichts erscheint uns schwieriger als das Aufgeben alter Gewohnheiten, noch dazu solcher, die in der Vergangenheit nützlich waren, heute jedoch behindern. In vielen Unternehmen ist es ein riesen „Ritt“, ein neues Werkzeug einzuführen, Kundengespräche auf andere Weise zu dokumentieren, die Ressourcen-Verfügbarkeit für jede Software-Baseline zu prüfen statt nur pauschal fürs ganze Projekt, usw. Selbst das Anwenden einer neuen Terminplan-Vorlage führt in vielen Abteilungen zu Geschrei. Die Folge ist klar: der gewünschte unternehmerische Nutzen bleibt auf der Strecke.

Kleine Schritte statt „Big-bang“

Was tun? Ein spannender Ansatz kommt aus der Gewohnheitsforschung, namentlich von Dr. BJ Fogg, der an der Stanford University lehrt. Im Kern geht es dabei um zwei Erkenntnisse:

  • Kleine Schritte sind günstiger als große. Je leichter uns ein neues Verhalten fällt, desto geringer ist die dafür aufzubringende Motivation und desto höher die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung.
  • Neues Verhalten braucht einen Trigger, der es auslöst. Der beste Trigger ist gewohntes Verhalten, nach dem Motto: „Immer wenn Du A (gewohnt) tust, dann tue danach B (neu)“.

Übertragen auf Veränderungsvorgänge in Unternehmen bedeutet das, diese in kleine, gut überschaubare und umsetzbare Schritte zu zerlegen statt mit „Big-Bang-Ansätzen“ zu hantieren, und diese Schritte an gewohnte Aktivitäten anzuhängen. Viele Veränderungen – wann auch nicht alle – lassen sich auf diese Weise handhaben und es entsteht damit ein kontinuierlicher Änderungs-Flow.

Es funktioniert

Mein Freund hat übrigens begonnen, nach jedem Zähneputzen erst zwei, dann vier, mittlerweile zehn Liegestützen zu machen und sich nach jedem Mittagessen kleingeschnittenes Obst bereit zu legen (Trigger: Zähneputzen, Mittagessen). Besagter Unternehmer hat angefangen, jeden neuen Mitarbeiter eine Woche und vier Wochen nach dem Einstieg zu Verbesserungspotenzial zu befragen (Trigger: ohnehin stattfindende Rücksprachen). Einer meiner Kunden hat nach jedem Baseline-Kickoff die Prüfung der Ressourcenverfügbarkeit in den Prozess eingefügt (Trigger: Durchführung der Baseline-Kickoffs). Der gemeinsame Tenor: es funktioniert, wenn die Schritte klein genug sind.

All das ist keine „Rocket-Science“, doch es ist ein sehr vielversprechender Weg, neues Verhalten tatsächlich zur Anwendung zu bringen und damit persönliche wie unternehmerische Ziele zu erreichen. Zumeist scheitert es nämlich an der Umsetzung, nicht an der Erkenntnis. Probieren Sie’s aus – das Risiko ist aufgrund der kleinen Schritte denkbar gering. Sie können also nur gewinnen.