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Unternehmenswandel: Scheitern ist Murks!

Der Bereichsleiter ist merklich angefressen. „Jedes Jahr fahren wir neue schwere Geschütze auf. Ich sage nur Prozessmodell, Lean Management, Qualitätsoffensive, und jetzt kommen Sie mir mit ‚hybrider Organisation‘ – wenn ich das schon höre. Das geht auch wieder aus wie das Hornberger Schießen. Keiner versteht es, keiner will es, und weil es nicht richtig funktioniert, sind wir nach dem Change wieder frustriert. Wir haben wahrhaft dringendere Probleme, die wir seit Jahren nicht lösen.“

Zum x-ten Mal hat das jährliche Strategie-Konklave des Konzerns den allerletzten Schrei der Management-Moden auf den Schild gehoben. Und zum x-ten Mal wird erst nur verhalten diskutiert, dann lautstark applaudiert und schließlich zaghaft umgesetzt. Was mit großem Beifall beginnt, endet mal wieder in der Bedeutungslosigkeit. Kein Wunder, dass die Mitarbeiter mittlerweile den Glauben an Transformationsprogramme verloren haben. „Scheitern ist normal bei uns“, ist auf den Fluren zu hören, „wir kriegen einfach nicht die Kurve“. Altgediente Mitarbeiter schütteln nur noch den Kopf angesichts des Change-Wahnsinns: „Lass die mal machen, auch dieses Programm geht vorbei“. Der Frust ist unüberhörbar und die Enttäuschung über vergangene Misserfolge sitzt tief.

Scheitern wird gelernt

Die Serie an Niederlagen hat sich in der Tat massiv ins kollektive Gedächtnis der Organisation gefräst. Ungeeignete Mechanismen wurden erlernt und ehemals dagewesene Veränderungsfähigkeiten verlernt. Das ist wie beim Üben mit einem Musikinstrument oder beim Sport-Training: Wer mehr richtig als falsch macht, wird besser, wer hingegen mehr falsch als richtig macht, wird schlechter.

Wenn Veränderungsprogramme zu oft schiefgehen, halten die Menschen entweder sich selbst für unfähig, was zu Angst und Mutlosigkeit führt, oder sie verlieren das Vertrauen ins Management und seine Maßnahmen, was zu Demotivation und Zynismus führt. Beides ist hochgradig schädlich und kann nur sehr aufwändig wieder repariert werden. Unternehmen müssen also das Lernen von Scheitern unbedingt vermeiden. Oder anders gesagt: Scheitern ist Murks.

Was ist zu tun?

  • Streichen, was nichts bringt: Fokussieren Sie auf die wenigen(!) Veränderungen, die einen klar umrissenen und greifbaren unternehmerischen Mehrwert bringen, und die Sie mit Ihrer ganzen Tatkraft und Ihrer vollen Überzeugung ins Ziel bringen wollen. Streichen Sie alle anderen Veränderungen rigoros.
  • Aufs Gelingen einschwören: Konkrete und glaubhafte Ziele statt abstrakter Schlagworte, emotionales Mitnehmen der Mitarbeiter auch in schwierigen Phasen, Arbeiten mit ausreichenden Ressourcen statt mit „stretched goals“ sowie konsequentes Steuern und Verfolgen – das ist der Stoff aus dem Erfolge werden. Diese in kurzen Sprints immer und immer wieder zu erreichen und zu  feiern, schafft nach und nach das Bewusstsein und Vertrauen dafür, dass Veränderungen gelingen.
  • Erfolg statt Fuck-up-Party: Vergessen Sie den Hype ums Scheitern, der in den letzten Jahren um sich greift, weil man aus Fehlern ja ach so viel lernen kann. Das Gehirn verfügt über gnadenlose Schaltkreise: Was Spaß und glücklich macht, weil es Erfolg bringt, will es wieder und wieder erleben. Was als Niederlage Schmerzen bereitet, meidet es wie der Teufel das Weihwasser.
  • Veränderungsexzellenz statt Change-Management: Die Tage des klassischen Change-Managements sind vorbei. In Zeiten mit nahezu täglich neuen Fakten genügt es nicht mehr, in großen Abständen einen Change-Ruck zu vollziehen, um dann lange Zeit davon zu zehren. Beständige Veränderung muss als Veränderungsexzellenz zu einer virtuos beherrschten Zukunftsfähigkeit in Unternehmen werden.